Flucht, Selbstorganisation und Situation von Roma in der  Bundesrepublik


Mit der Öffnung der ehemaligen RGW-Länder Osteuropas Ende der achtziger Jahre begann auch die Flucht der Roma, die seit Jahrhunderten unter Ausgrenzung und Diskriminierung zu Leiden hatten. Nach Aufnahme in den Flüchtlingslagern stellten die Familien Asylanträge, die in der Regel negativ beschieden wurden. Die Begründung gipfelte in den Einschätzungen des Auswärtigen Amtes, daß eine Verfolgung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit nicht nachgewiesen werden könne. Proteste von Menschenrechtsorganisationen und ausführliche Dokumentationen über die völlig desolate Situation der Roma in den Herkunftsländern bewirkten zwar Öffentlichkeit, änderten allerdings nichts an der Rechtsprechung. 

Im Zuge der drohenden Ausweisung organisierten sich Roma-Flüchtlinge und Unterstützer und einzelne Vereine deutscher Roma und Sinti wandten sich dem Thema Flucht und Abschiebung stärker zu. Die Besetzung des KZ Neuengamme im August 89 und des Kölner Doms mit dem anschließenden "Bettelmarsch" durch NRW zur Landesregierung in Düsseldorf im gleichen Jahr, die Proteste im Lebacher Aufnahmelager im Sommer 1990, die Besetzung der Tübinger Stiftskirche zur Jahreswende 90/91, das Kirchenasyl in der Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau zu Beginn des Krieges in Jugoslawien im Mai 93 und die Besetzung des Sozialamtes Frankfurt am Main im Juni desselben Jahres markierten die wesentlichen Aktionen. 
Zentrale Forderungen waren die Absicherung des Aufenthalts durch Zusicherung des Bleiberechts, ausreichende Versorgung und Unterbringung. Darüber hinaus stand die Dokumentation anhaltender Menschenrechtsverletzungen gegenüber Roma in Rumänien, dem ehemaligen Jugoslawien, der ehemaligen Tschechoslowakei, Polen, Ungarn und Bulgarien im Mittelpunkt. 

Durch die bundesweite und internationale Verknüpfung der einzelnen Roma-Verbände fand die Thematisierung dieser Fragen auch auf EU- und OECD-Ebene statt. Das Bleiberecht wurde versagt, statt dessen erzwangen oder begünstigten die Behörden die Ausreise, beispielsweise durch das Rückführungsprogramm nach Macedonien. Um der Abschiebung zu entgehen, reisten Familien in andere westeuropäische Länder oder lebten "illegal" in der BRD. Über die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft des Herkunftslandes - soweit diese überhaupt bestand - existierte für viele Roma die letzte Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel zu erhalten. Nach Abschluß und Modifizierung von Rückübernahmeverträgen zwischen der BRD und verschiedenen Anrainerstaaten ab 1992 werden diese Ausbürgerungen nunmehr überprüft und zu einem großen Teil als nicht rechtswirksam erklärt. Damit droht der Mehrheit der Roma-Flüchtlinge erneut die Ausweisung. Weder der Kosovo-Krieg und die Tatsache, daß bisher über 80 Roma auf der Flucht zu Tode gekommen sind, noch die politisch ökonomisch instabilen Verhältnisse in den osteuropäischen Ländern und der Nachweis, daß Roma nach wie vor Pogromen und rassistischen Überfällen ausgesetzt sind, hat bisher an der Ausweisungspraxis etwas geändert.

Die Aktivitäten der Selbst- und Unterstützerorganisationen im Bereich Schutz der Flüchtlinge und Sicherung der Menschenrechte, wie das Engagement für eine bundesweite Alt- oder Härtefallregelung, die Intervention bei der europäischen Menschenrechtskommission und die Dokumentation von Einzelfällen sind daher weiterhin von enormer Bedeutung. 
Die wichtigsten Verbände:

o Roma National Congress, Roma und Cinti Union Hamburg, Nachrichtenagentur Rom News, Simon-von-Utrecht-Straße 85, 20359 Hamburg, Tel. 040/3194249, Fax 040/310475

o Roma-Union Grenzland, Theaterstraße 22, 52062 Aachen, 
Tel. 0241/27765, Fax 0241/513102

o Rom e. V. Köln, Bobstraße 6-8, 50676 Köln, Tel. 0221/242536, Fax 0221/2401715

o Roma-Union Frankfurt am Main, Petterweilstraße 4-6, 60385 Frankfurt am Main, Tel. u. Fax 069/442211, Tel. 069/439779

o Förderverein Roma e.V., Siolistraße 6, Gebäude 28, 60323 Frankfurt am Main, Tel. 069/440123, Fax 069/150579-52

o Roma-Union Berlin, c/o südosteuropäischer Kulturverein, Großbeerenstraße 88, 10963 Berlin, Tel. 030/2510128

Joachim Brenner,
Förderverein Roma,
Frankfurt am Main