Es scheint sich wenig geändert zu haben   (Diskus Nov. 2001)


 Zur rassistischen Diskriminierung von Roma und Sinti.

„Die sind eingefallen wie die Heuschrecken“, bekundet Schwimmeister Platz vom Freibad Egelsbach. Ortsvorsteher Moritz fühlt sich betrogen. Ein zweites Mal passiert ihm das nicht. Die Katastrophe bestand darin, dass die angemeldete und genehmigte Taufe von 500 Roma Kippen und Müll hinterließ. Ein alltägliches Bild sollte man meinen. Bei „Zigeunern“, so werden sie nämlich von den Klageführern benannt, ist das natürlich ganz anders. 

Es geht weiter. Die Nachbarstadt Offenbach hat ebenfalls Probleme. Gerhard Eidmann, technischer Leiter des EOSC Waldschwimmbads Rosenhöhe meint: „Zigeuner kommen hier nicht mehr rein“. EOSC-Vorstandsmitglied Norbert Bassmann, Jurist, sieht sich mit der praktizierten Gesichtskontrolle sogar vollkommen im Recht und lässt den Kontrolleuren freie Hand, denn „da sieht einer ja aus wie der andere“, wie Herr Eidmann feststellt. Hintergrund der Vorgänge, „Dreck, Ärger“ und Missachtung der Badeordnung. Verhaltensweisen, die zum normalen Repertoire eines Freibad-Betriebes gehören. Nicht so, wenn der Stein des Anstoßes „Zigeuner“ sind. Auch Sozialdezernentin Boretty hat Verständnis für den Club und OB Grandke versichert den Gesichtskontrolleuren seine vollste Unterstützung. Den Versuch, zu vermitteln, hält er für überzogen, denn das Problem, sprich die Roma, ist doch klar. Auch die Offenbacher Geschäftswelt fühlt sich seit einiger Zeit vom „fahrenden Volk“ bedroht. Mangelndes Benehmen und offene Rechnungen bringen die Läden, schenkt man den Äußerungen Glauben, in den Ruin. Natürlich ist es ausschließlich die schlechte Zahlungsmoral der Sinti und Roma, die „wie die Raben klauen“. Die Konsequenz, Hausverbot. 

In Fechenheim sehen sich einige Nachbarn ebenfalls von Roma bedroht. Belästigung, Einschüchterung, unkorrekte Müllentsorgung und Sachbeschädigung werden angeführt. Gezielte Maßnahmen sind zu treffen, das Ordnungsamt, das Sozialamt und die Polizei sollen aktiv werden. Die bezeichneten Behörden können dies nicht, da nach Prüfung kein Fehlverhalten der Roma-Familien vorliegt. Der vermeintliche Terror reduziert sich zu einer Angelegenheit, die, wenn überhaupt, dem Schiedsmann vorzulegen ist.

Ein letztes. Die Frankfurter Vermieterin S. sieht sich ebenfalls arglistig getäuscht. Bei Abschluss des Mietvertrages waren sie und ihr Verwalter der festen Ansicht, dass es sich bei der Mieterfamilie L. um Deutsche handele. Einige Zeit später wird nun unmissverständlich dargelegt, dass die Betroffenen „wahrscheinlich einer Sinti oder Roma Familie angehören“. Es wird Klärung verlangt, ob sie wirklich „sogenannte Zigeuner“ seien und im gleichen Zug die fristlose Kündigung ausgesprochen, sollte sich die Einschätzung bestätigen.

Das alles spielte sich in den Sommermonaten 2001 im Rhein-Main Gebiet ab. Ein kleiner Ausschnitt bundesrepublikanischer Realität. Die Gazetten beschränken sich neben der gleichgültigen, ausgewogenen und ignoranten Beschreibung (FR) auf die Hetze (Offenbach Post, Fechenheimer Anzeiger) gegenüber den Roma und Sinti. Ein hr-Team, das kritisch berichten möchte, findet keinen Bürger, der Kritik an den Vorgängen übt; ungeteilte breite Zustimmung. 
Das Beschriebene entlarvt sich selbst. Es bedarf keiner akribischen Überführung mehr. Offizielle nehmen sich nicht zurück, sondern befürworten rückhaltlos. Das eigentlich Unerhörte liegt nicht allein in der Tatsache der Fakten. Es liegt in der Selbstverständlichkeit, Roma und Sinti nach wie vor der Sippenhaftung zuzuführen, diese biologistisch zu begründen und angesichts der bewussten rassistischen Haltung nicht die Spur von persönlicher oder öffentlicher Scham zu haben. Der breite Konsens des rassistischen Verständnisses erübrigt jeden Appell an Differenzierung und Geschichtsbewusstsein.

Was noch passiert ist. Michel Friedmann darf nach Urteil des Landgerichts Kempten von dem Republikaner Reichertz als „Zigeunerjude“ beschimpft werden und nach längerer Suche fehlt immer noch jede Spur des Täters, der einen Brandanschlag auf eine Roma-Wohnwagensiedlung in der Nähe von Berlin verübt hat.


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