Zur
rassistischen Diskriminierung von Roma und Sinti.
„Die sind eingefallen wie die Heuschrecken“, bekundet Schwimmeister Platz
vom Freibad Egelsbach. Ortsvorsteher Moritz fühlt sich betrogen. Ein zweites Mal
passiert ihm das nicht. Die Katastrophe bestand darin, dass die angemeldete und
genehmigte Taufe von 500 Roma Kippen und Müll hinterließ. Ein alltägliches
Bild sollte man meinen. Bei „Zigeunern“, so werden sie nämlich von den
Klageführern benannt, ist das natürlich ganz anders.
Es geht weiter. Die Nachbarstadt Offenbach hat ebenfalls Probleme. Gerhard
Eidmann, technischer Leiter des EOSC Waldschwimmbads Rosenhöhe meint:
„Zigeuner kommen hier nicht mehr rein“. EOSC-Vorstandsmitglied Norbert
Bassmann, Jurist, sieht sich mit der praktizierten Gesichtskontrolle sogar
vollkommen im Recht und lässt den Kontrolleuren freie Hand, denn „da sieht
einer ja aus wie der andere“, wie Herr Eidmann feststellt. Hintergrund der
Vorgänge, „Dreck, Ärger“ und Missachtung der Badeordnung.
Verhaltensweisen, die zum normalen Repertoire eines Freibad-Betriebes gehören.
Nicht so, wenn der Stein des Anstoßes „Zigeuner“ sind. Auch
Sozialdezernentin Boretty hat Verständnis für den Club und OB Grandke
versichert den Gesichtskontrolleuren seine vollste Unterstützung. Den Versuch,
zu vermitteln, hält er für überzogen, denn das Problem, sprich die Roma, ist
doch klar. Auch die Offenbacher Geschäftswelt fühlt sich seit einiger Zeit vom
„fahrenden Volk“ bedroht. Mangelndes Benehmen und offene Rechnungen bringen
die Läden, schenkt man den Äußerungen Glauben, in den Ruin. Natürlich ist es
ausschließlich die schlechte Zahlungsmoral der Sinti und Roma, die „wie die
Raben klauen“. Die Konsequenz, Hausverbot.
In Fechenheim sehen sich einige Nachbarn ebenfalls von Roma bedroht. Belästigung,
Einschüchterung, unkorrekte Müllentsorgung und Sachbeschädigung werden angeführt.
Gezielte Maßnahmen sind zu treffen, das Ordnungsamt, das Sozialamt und die
Polizei sollen aktiv werden. Die bezeichneten Behörden können dies nicht, da
nach Prüfung kein Fehlverhalten der Roma-Familien vorliegt. Der vermeintliche
Terror reduziert sich zu einer Angelegenheit, die, wenn überhaupt, dem
Schiedsmann vorzulegen ist.
Ein letztes. Die Frankfurter Vermieterin S. sieht sich ebenfalls arglistig getäuscht.
Bei Abschluss des Mietvertrages waren sie und ihr Verwalter der festen Ansicht,
dass es sich bei der Mieterfamilie L. um Deutsche handele. Einige Zeit später
wird nun unmissverständlich dargelegt, dass die Betroffenen „wahrscheinlich
einer Sinti oder Roma Familie angehören“. Es wird Klärung verlangt, ob sie
wirklich „sogenannte Zigeuner“ seien und im gleichen Zug die fristlose Kündigung
ausgesprochen, sollte sich die Einschätzung bestätigen.
Das alles spielte sich in den Sommermonaten 2001 im Rhein-Main Gebiet ab. Ein
kleiner Ausschnitt bundesrepublikanischer Realität. Die Gazetten beschränken
sich neben der gleichgültigen, ausgewogenen und ignoranten Beschreibung (FR)
auf die Hetze (Offenbach Post, Fechenheimer Anzeiger) gegenüber den Roma und
Sinti. Ein hr-Team, das kritisch berichten möchte, findet keinen Bürger, der
Kritik an den Vorgängen übt; ungeteilte breite Zustimmung.
Das Beschriebene entlarvt sich selbst. Es bedarf keiner akribischen Überführung
mehr. Offizielle nehmen sich nicht zurück, sondern befürworten rückhaltlos.
Das eigentlich Unerhörte liegt nicht allein in der Tatsache der Fakten. Es
liegt in der Selbstverständlichkeit, Roma und Sinti nach wie vor der
Sippenhaftung zuzuführen, diese biologistisch zu begründen und angesichts der
bewussten rassistischen Haltung nicht die Spur von persönlicher oder öffentlicher
Scham zu haben. Der breite Konsens des rassistischen Verständnisses erübrigt
jeden Appell an Differenzierung und Geschichtsbewusstsein.
Was noch passiert ist. Michel Friedmann darf nach Urteil des Landgerichts
Kempten von dem Republikaner Reichertz als „Zigeunerjude“ beschimpft werden
und nach längerer Suche fehlt immer noch jede Spur des Täters, der einen
Brandanschlag auf eine Roma-Wohnwagensiedlung in der Nähe von Berlin verübt
hat.
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