Sehr geehrte Damen und Herren,
mein Name ist Joachim Brenner, ich arbeite im Förderverein Roma.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, eine Mahntafel im Flughafen Frankfurt anzubringen, zu unterstützen.
Der Förderverein Roma und die Roma Union haben sich zehn Jahre lang für eine Mahn- und Gedenktafel am Stadtgesundheitsamt engagiert. Einige von Euch haben uns hierbei begleitet. Inhalt dieser Tafel ist, daran zu erinnern, dass zwei maßgebliche Naziforscher, Robert Ritter und Eva Justin, die für die Ermordung von Tausenden Roma und Sinti verantwortlich zeichneten, nach 1945 in leitenden Stellungen im Stadtgesundheitsamt tätig waren. Nach zehn Jahren Protest wurde die Tafel am 27. Januar 2000, dem Gedenktag der Befreiung von Auschwitz, endlich angebracht.
Ein ähnliches Drama spielt sich seit Jahren bezüglich der Einrichtung einer zentralen Gedenkstätte in Berlin zur Erinnerung an die in der NS-Zeit ermordeten Roma und Sinti ab.
Der Anlass, warum wir uns hier und heute für diese Tafel einsetzen, ist ursächlich nicht vergleichbar mit der Intention des Dokumentes am Stadtgesundheitsamt. Dennoch gibt es Parallelen.
Es ist unsere Absicht, das Schweigen zu brechen und damit eine unabdingbare Voraussetzung dafür zu schaffen, dass sich Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht wiederholen, dass sie öffentlich gemacht und zur Anklage gebracht werden.
Die Gedenktafel, die an Kola Bankole, an Aamir Ageeb und Naimah Hadjar und an deren
Tod in der Abschiebehaft oder während der Abschiebung erinnert, wendet sich gegen die Stille und die Friedhofsruhe in diesem Land. Das Internierungslager im Flughafen für Menschen, die um Asyl suchen, die tagtäglichen Abschiebungen in Folterländer, sollen zur Normalität, zum Alltag werden. Die Opfer werden zu Täter gestempelt und der
Tod der Menschen zum unvermeidbaren Betriebsunfall umgedeutet; legitimiert durch polizeiliche Praxis und unter ärztlicher Aufsicht.
Die Tafel wendet sich gegen diese Lüge. Sie legt den Finger in eine offene Wunde und demonstriert, dass es Schuld und politische Verantwortung für die eklatante Missachtung von Menschen- und Bürgerrechte gibt. Die Tafel klagt ein, dass sich jede und jeder zur Wehr setzen soll und sie wendet sich auch gegen die massenhafte, stillschweigende Übereinkunft: nämlich, Armut, Not und Verfolgung und die Ursachen dieses Elends zu ignorieren.
Neben vielen anderen Personen sind die seit Jahren hier lebenden Roma-Flüchtlinge aus Osteuropa von dieser Ignoranz betroffen. Ihre Abschiebung in die Herkunftsländer, wo sie mehr denn je dem rassistischen Druck der Mehrheitsbevölkerung ausgesetzt sind und tödliche Überfälle auf Roma-Gemeinden zunehmen, interessiert niemanden. Roma sind Opfer von Skinhead-Überfällen. Die Existenz vieler Familien spielt sich in menschenunwürdigen Ghettos ab. Die herrschenden Schul- und Ausbildungssysteme grenzen Roma aus. Der Mob funktionalisiert sie zum Sündenbock , die Regierungen initiieren und fördern das rassistische Urteil und schaffen so die Voraussetzung für die Hetze und den Mord an Roma.
Das alles interessiert nicht im Abschiebeverfahren; Asyl wird nicht gewährt. Das persönliche Schicksal eines Kindes, einer jungen Frau oder eines gebrechlichen Alten ist unerheblich. Allein zwischenstaatliche Abkommen und rechtliche Vereinbarungen zählen. Das Regierungspräsidium betreibt ohne Einwilligung der Betroffenen Wiedereinbürgerungsverfahren. Zwangsweise Vorführungen in den Botschaften werden zum Alltag. Juristische Spitzfindigkeiten machen bereits erfolgte Ausbürgerungen im Nachhinein nichtig.
Es ist die stille, die kalte Form der Abschiebung, die es den Menschen zunehmend unmöglich macht, sich zu wehren. Schritt für Schritt werden sie seitens der Behörden zu sogenannten Illegalen gemacht. Nicht groß angelegte Rückführungen von Roma bestimmen die Tagesordnung, sondern eine subtile bürokratische Zermürbungstaktik, die die Verzweiflung und schließlich das Abtauchen der Menschen zum Ziel hat. All diese Vorgänge werden durch politische Zusagen seitens der Herkunftsländer begleitet. Zusagen, die von der Bundesregierung mit viel Geld zur Sicherung der Grenzanlagen und der Bedienung der Nomenklatura erkauft wurden.
Es steht mittlerweile zu befürchten, dass 80% der im Rhein-Main-Gebiet lebenden Roma aus Rumänien, etwa 1500 Personen, abgeschoben werden. Das geschieht ungeachtet jeder historischen Verpflichtung, die die Bundesrepublik angesichts der Vernichtung von Roma und Sinti im Nationalsozialismus haben sollte, das geschieht ungeachtet der dokumentierten Menschenrechtsverletzungen, ungeachtet der Kinder, die in Frankfurt geboren wurden und ungeachtet der individuellen Lage und Perspektive jedes
Einzelnen.
Liebe Freunde, die Tafel am Flughafen nimmt auch hierauf Bezug, ohne dass dies ausdrücklich benannt wird. Allein indem die Anonymität durchbrochen wird und aus Namen oder Zahlen Menschen werden, deren Leid dokumentiert bleibt, allein deswegen ist die Anbringung der Tafel, die Erinnerung und Mahnung, zur der sie auffordert, von so großer Bedeutung.
Vielen Dank
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