Förderverein Roma, Stoltzestraße 17, 60311 Ffm., Tel. 069/440123,
e-mail: mail@schaworalle.de


 

Abschiebung macht keinen Sinn!
Hessen schiebt Roma aus Rumänien ab
 


Roma – im weitesten Sinne – leben in allen Ländern Europas. Obwohl sie eine gemeinsame Sprache mit vielen Dialekten sprechen, eine eigene Kultur haben, haben sie in ihrer fast tausendjährigen Geschichte nie, wie viele andere ethnische Gruppen, ein eigenes Territorium beansprucht.

Europa ist „ihr Land“, sie sind in allen Ländern Europas „zu Hause“ und haben in verschiedenen europäischen Ländern Verwandte, die ihnen näher sind als die Nachbarn an dem Ort, wo sie gerade wohnen.

Viele von ihnen sind nirgendwo „Inländer“, auch wenn sie den einen oder anderen Pass besitzen. Deshalb sind sie – genau genommen – keine Ausländer.

Sie brauchen sowohl Bleiberecht in Deutschland als auch Freizügigkeit in Europa!

Wahrscheinlich gibt es keine Gruppe von Menschen, die in allen Ländern so radikal von den Mehrheitsgesellschaften ausgegrenzt, ja abgelehnt wurde und wird.

Es gibt nicht nur ein riesiges Spektrum von Vorurteilen gegenüber „Zigeunern“:

seit Jahrhunderten machen Roma die Erfahrung von Ausgrenzung, Ablehnung, Verfolgung und Vertreibung. So haben sie Überlebensstrategien entwickelt, die den Mehrheitsgesellschaften fremd, oder sogar bedrohlich erscheinen.  Beide Seiten grenzen sich gegeneinander ab, das gegenseitige Misstrauen scheint unüberwindlich.

Akzeptanz und Verständnis zwischen den Roma und der übrigen Bevölkerung aufzubauen braucht Zeit, Geduld, Phantasie und Engagement, kostet Geld und setzt politischen Willen voraus.

Über diese Aufgabe wird dank der energischen Intervention der verschiedenen Roma- und Sinti - Vereinigungen in den europäischen Gremien inzwischen wenigstens nachgedacht.

Am Umgang mit Minderheiten zeigt sich, ob die Menschenrechte von einer Gesellschaft ernst genommen werden.


An diese triviale Wahrheit muss ständig neu erinnert werden.

In den Bereichen von Gesundheit , Wohnen und vor allem Bildung ist die Situation der Roma in allen europäischen Ländern sehr schlecht, teilweise katastrophal. Mehr als die Hälfte der Personen hat keine Schulbildung.

In der Europäischen Union wurden und werden Vorschläge und Richtlinien entwickelt, wie die Bildungssituation der Roma-Kinder verbessert werden kann. Entsprechende Initiativen sollen gefördert werden.

Der Förderverein Roma e.V. mit seiner Kindertagesstätte Schaworalle und der Familienberatungsstelle
– ist eine solche Initiative, die in ihrer Art mindestens in Deutschland einmalig ist. Die Stadt Frankfurt am Main sollte stolz darauf sein.

Warum funktioniert die Arbeit von Schaworalle? Hier wird nicht nur geklagt und angeklagt, sondern ein Gegenentwurf praktiziert. Hier sind Mitarbeiter – Roma und Nicht-Roma -, die zeigen, dass es möglich ist, mit den Kindern und ihren Familien zu arbeiten. Das Lernen ist nicht fremdbestimmt, sondern richtet sich nach den Bedürfnissen und individuellen Fähigkeiten der Kinder und berücksichtigt die Lebensumstände der Familien.

Die Beratungsstelle des Fördervereins hat regen Zuspruch. Die Nachfrage nach Beratung geht inzwischen weit über Frankfurt hinaus.

Familien, die noch nicht einmal Sozialhilfe beziehen, schicken ihre Kinder zum Lernen in die Schaworalle – statt zum Betteln auf die Straße.

Kinder spielen und lernen hier, im Kindergarten, in den Schulgruppen und im Freizeitbereich. Einige schaffen den Schritt in die Regelschule und bekommen auch dabei Unterstützung von Schaworalle. Inzwischen wird auch über Projekte nachgedacht, die Jugendlichen den Weg in die Erwerbsarbeit anbahnen könnten.

Viele Familien haben im Zusammenhang damit angefangen, mittelfristige Perspektiven für ihr Leben zu entwickeln.

Beachtliche Schritte auf dem Weg zur „Integration“ werden vollzogen!

Schaworalle arbeitet mit Roma, die aus Rumänien kommen und zum großen Teil schon mehr als zehn Jahre in Deutschland sind. Viele Kinder sind hier geboren und aufgewachsen. Ihre aufenthaltsrechtliche und wirtschaftliche Situation war von Anfang an problematisch und wird immer schwieriger. Mit der in 2001 getroffenen Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien, die die Rücknahme aller rumänischen Staatsbürger betrifft, ist die Unsicherheit dem Gefühl von realer Bedrohung gewichen. In den Familien, aber auch in unserer Einrichtung, wird oft über nichts anderes mehr gesprochen.

Die Arbeit von Schaworalle wird dadurch behindert und stark beeinträchtigt. Seit die Angst vor Ausweisung größer und realer wird, kommen Kinder weniger regelmäßig, sind weniger lernmotiviert, können sich schlechter konzentrieren.

Ganz konkret: droht zur Zeit die Abschiebung von zwei Familien. Fünf ihrer Kinder werden seit langer Zeit und besonders erfolgreich von „Schaworalle“ betreut. 
Wir Mitarbeiter von Schaworalle fühlen diese Bedrohung mit den Familien. Wir sind verantwortlich für diese Kinder.

Unsere pädagogische Arbeit wäre fragwürdig, wenn wir uns nicht um die existentiellen Belange der Familien kümmern würden.

Auch die Stadt Frankfurt hat Verantwortung gegenüber den Kindern, die in der Kindertagesstätte lernen und leben. Die Stadt kann und soll auf die Ausländerpolitik Einfluss nehmen, damit die rumänischen Roma-Familien in Frankfurt bleiben können!


Die Erfahrung zeigt, dass Roma-Familien nicht in Rumänien bleiben, wenn sie ausgewiesen werden. Die Lebensbedingungen sind für sie dort so schlecht, dass sie nach anderen Wegen suchen. Sie gehen in ein anderes europäisches Land – oder auch wieder nach Deutschland, wo sie den Anschluss an vorher angebahnte Lebensperspektiven nicht mehr wieder finden.

Die Ausweisung „funktioniert“ nicht.

Legalisiert man ihren Status hier nicht, treibt man sie in die Illegalität, in erneute Unsicherheit, in einen ungesicherten Neuanfang. Wer dauerhaft nirgends ein Recht hat, immer auf gepackten Koffern sitzt, für den bringt die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen nichts.

Der Teufelskreis beginnt an jedem Ort neu: Vorurteile - Leben auf oder unter dem Existenzminimum – schlecht bezahlte, harte Arbeit -  Armut - Betteln – Kriminalität – Randständigkeit – Ausgrenzung – Perspektivlosigkeit.

Bleiberecht, Lebenssicherung, Chancen zur Entwicklung von Perspektiven würden den Teufelskreis durchbrechen – würden sich auch positiv auf die Kriminalstatistik auswirken.

In europäischen Städten müssen Möglichkeiten geschaffen werden, dass Roma menschenwürdig leben und Perspektiven aufbauen können, um den Kreislauf von Armut Randständigkeit, Ausgrenzung, Kriminalität zu unterbrechen. Nur so kann der europäischen Minderheit die Chance gegeben werden, die ihr seit Jahrhunderten verweigert wird.

Roma brauchen sowohl Bleiberecht in Deutschland als auch Freizügigkeit in Europa

Ffm., den 5.2.2002

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