Mael Le Guennec
In der Schule der Roma. Eine Frankfurter Initiative
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Es ist Pause: die Kinder sind in einem Raum mit gelben Wänden, nach einer Zigeunermelodie fangen sie an zu tanzen und klatschen dabei in die Hände. Vor der Küche sind Mütter und Kinder versammelt: heute ist ein junger Vater von Anfang 20 gekommen, um seinen neu geborenen Sohn vorzuführen. Der Kleine wandert von Arm zu Arm.

„Das sind meine Leute, verstehst du? Wir sprechen dieselbe Sprache, das sind meine Leute“, sagt Bisa, eine sechzehnjährige, die gerade in Schaworalle ankommt, einer Schule für Roma-Kinder in Frankfurt. Roma-Kindern Schulbildung anzubieten ist eins der Ziele, die sich der Förderverein zu Beginn des Projekts gestellt hat.

Zur Zeit leben 2500 Roma in Frankfurt. Die meisten sind in den 90er Jahren aus Rumänien gekommen, auf der Flucht vor organisierten Pogromen. Die Anzahl der Roma-Kinder, die auf Betteln, Diebstahl und Prostitution angewiesen sind, ist beträchtlich.

Der Förderverein Roma gründete 1996 einen Kindergarten. Heute gehört zur Schule Schaworalle ein Kindergarten und eine Schule für Kinder von 3 bis 16 Jahren. Die Leiterin, Sabine Ernst, freut sich über das Band des Vertrauens, das zwischen den in der Mehrzahl deutschen Mitarbeitern und den Familien der Kinder gewachsen ist, eine Herausforderung angesichts des Misstrauens, das normalerweise zwischen den Roma und den Gadsche besteht.

In der Roma-Schule in Frankfurt respektieren die Lehrer die Bindung der Familien an ihre Sprache, das Romanes, und ihre Kultur und sind sich des Misstrauens der Roma gegenüber den örtlichen Behörden bewusst. Die Lehrer, die selbst Roma sind, geben Unterricht in Romanes. Er vermittelt den Kindern die Geschichte und Kultur des Roma-Volkes.

Das Vertrauen drückt sich auch in der Tatsache aus, dass die Lehrer von Schaworalle die Familien und die Probleme, mit denen diese konfrontiert sind, kennen: Aufenthaltsrechte, Wohnung und Geld. Im Büro des Fördervereins berät ein team von deutschen und Roma-Sozialarbeitern die Familien bei ihren alltäglichen Schwierigkeiten.

„Wenn es ihnen gelänge, die Papiere zu bekommen, würden meine Kinder einen Beruf lernen“, sagt Maricica, eine Schüler-Mutter, die als Köchin in Schaworalle arbeitet. Geregelte Aufenthaltspapiere zu bekommen, ist die Hauptsorge der Familien, die in einer Phase von Unsicherheit und großer Sorge leben.

Diese prekäre Situation motiviert die Schüler nicht gerade, über ihre berufliche Zukunft nachzudenken.

 

Lesen und Schreiben können ist schon viel
 

Während es einigen Schülern von Schaworalle gelingt, sich in der Regelschule zu integrieren, wollen die meisten einfach das Äquivalent zu „BEPC“ erreichen, erklärt die Leiterin und versichert:“ Lesen und Schreiben können ist schon viel für Kinder,

die in einigen Fällen erst mit 12 Jahren in der Schule ankommen.“

Für die, die bis dahin selten die Schule besucht haben, ist es schwierig, sich den Regeln der Schule zu beugen: die Kinder haben oft ein problematisches Verhalten gegenüber Lehrern und Mitschülern. Sie bleiben nicht am Platz, schwätzen miteinander, und einige warten nicht das Ende des Unterrichts ab, bevor sie verschwinden. Mit Sicherheit würde die Mehrheit der Kinder, die in Schaworalle unterrichtet werden, in einer klassischen Schule nicht toleriert werden.

Für viele Eltern haben Familie und die eigene Kultur Priorität, während die Schule nur ein Mittel ist, um Lesen und Schreiben zu lernen. Die Kinder sind in den Augen der Eltern mit 16 erwachsen. Sie sind dann ihrer Gruppe gegenüber verantwortlich und bemühen sich, ihre Identität als Roma zu beweisen, unabhängig davon, wie weit sie mit der Schule gekommen sind. Die Schriftkultur ist den Roma sehr fremd: das Romanes wird nicht geschrieben.

Sicher gibt es in den Klassen von Schaworalle Regeln, die respektiert werden sollen. Aber wenn sie Grenzen überschritten werden, führt das nicht zum Ausschluss aus dem Unterricht, sondern zu Bemerkungen der Lehrer und zu Gesprächen. Wenn ein Schüler anfängt zu singen und in die Hände zu klatschen, wird er nicht aus dem Unterricht geschickt, und wenn er sich beruhigt, indem er einem Mädchen die Haare kämmt, sieht der Lehrer darin nichts Unpassendes.

Schaworalle geht so vor, dass minimale schulische Kenntnisse angeboten und dabei immer die Regeln der Roma respektiert werden. Wenn die Kinder wenigstens drei mal in der Woche kommen, sind die Lehrer zufrieden. Sie erwarten, dass die Schüler ihnen das Motiv ihrer Abwesenheit erklären. Ein Familienfest ist eine gültige Entschuldigung.

Die Erfahrungen, die in der Schule Schaworalle in Frankfurt gemacht wurden, erweisen sich als nützlich für andere deutsche Städte, um mit ähnlichen Problemen umzugehen. So fasst die Stadt Köln ins Auge, eine Schule für straffällig gewordene Roma-Kinder zu gründen. Die Schule in Frankfurt wird von der Stadt und vom Jugendamt finanziert. Mit seinen 27,6% Ausländern – verglichen mit 21,4% in London und 14% in Paris – ist Frankfurt immer wieder Modell in Sachen interkultureller Dialog. Dieser Dialog wurde Ende der 80er Jahre in der Stadt institutionalisiert, die damals von Grünen und Sozialdemokraten regiert wurde:

Ein Amt für multikulturelle Angelegenheiten, das AMKA wurde 1988 geschaffen, bestimmt für Projekte, deren Ziel es ist, „Neubürger“ zu integrieren.

 

Die Regeln der anderen akzeptieren, um Vertrauen aufzubauen
 

Das Projekt der Schaworalle-Schule trägt Früchte: jedes Jahr gelingt es, dass Roma-Kinder in Regelschulen aufgenommen oder wieder aufgenommen werden. Die Leiterin und das pädagogische Personal sind zufrieden mit den erreichten Fortschritten- Es bleibt das Problem der Aufenthaltspapiere, das die Kinder oft hindert, eine geregelte Schullaufbahn zu verfolgen.

Die Regeln der anderen akzeptieren, um Vertrauen aufzubauen, das ist die tägliche Arbeit der Mitarbeiter. So wird Schaworalle zum Modell, das übertragbar ist auf andere Situationen kultureller Konfrontation