Ansprache und Kranzniederlegung von Lothar Winter,
Vorstand des Roma und Sinti Beratungs- und Informationsbüros " Amari Bacht"
anlässlich des 61. Jahrestags der Liquidation des Zigeunerlagers
Auschwitz-Birkenau am 02.08.2005 in der Braubachstraße 18-22 am
Stadtgesundheitsamt Ffm.
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Name Auschwitz steht in der Öffentlichkeit auch symbolhaft für den
staatlich organisierten Völkermord an unserer Minderheit im
nationalsozialistisch besetzen Europa, dem fast eine halbe Million Roma
und Sinti zum Opfer fielen. Auschwitz war der Endpunkt eines Prozesses der
Entrechtung und Entmenschlichung, der mit der Machtübernahme der
Nationalsozialisten eingesetzt hatte.
Bereits in seinem grundlegenden Erlass vom 8.Dezember 1938 sprach Himmler
von der Notwendigkeit einer "endgültigen Lösung der Zigeunerfrage".
Auschwitz war das eigentliche Zentrum jener Politik der "Endlösung".
Auf der Grundlage des Himmler-Befehls vom l6.Dezember 1942 wurden Tausende
Roma und Sinti aus dem Deutschen Reich und den von der deutschen Wehrmacht
besetzten europäischen Ländern nach Auschwitz deportiert. Sie wurden
erniedrigt, gequält und auf bestialische Weise ermordet.
Für fast alle nach Auschwitz-Birkenau verschleppten war es die letzte
Station ihrer Verfolgungsgeschichte.
In einem unglaublichen Akt der Unmenschlichkeit wurden in der Nacht vom 2.
auf dem 3. August 1944, bei der Auflösung des "Zigeunerlagers"
Auschwitz-Birkenau, die letzten 2900 Überlebenden Roma und Sinti in den
Gaskammern ermordet.
Eva Justin und Robert Ritter, nur zwei maßgebliche "NS-Rasse forscher",
waren allein für den Tod von über 20000 Roma und Sinti verantwortlich, in
dem sie durch eine systematische Erfassung und ihren "rassenbiologischen"
Untersuchungen die Todesurteile der Roma und Sinti im Vorfeld billigten,
und mit ihren Gutachten die Deportation und damit auch ihre Vernichtung
einplanten. Obwohl ihre Verbrechen an der Menschlichkeit der Stadt
Frankfurt bekannt waren, wurden sie nicht strafrechtlich belangt und nach
1945 im Sozial- und Gesundheitsamt in leitenden Positionen beschäftigt.
Eva Justin hatte im Rahmen ihrer Tätigkeit und im Auftrag der Stadt
Frankfurt am Main erneut mit Roma und Sinti, das heißt mit Überlebenden
des Holocaust oder deren Kindern, zu tun.
Das Stadtgesundheitsamt in der Braubachstrasse soll nicht nur ein Ort des
Gedenkens, sondern zugleich ein Ort der Mahnung angesichts heutiger
Verbrechen an die Menschlichkeit sein. Zu Recht werden die Gefahren eines
wachsenden Ausländerhasses in der BRD benannt. Besondere Besorgnis erregt
die Zunahme rassistischer Gewalt gegenüber den Roma und Sinti, der größten
Minderheit in Europa.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,
es ist mir an diesem heutigen Gedenktag ein wichtiges Anliegen der Stadt
Frankfurt am Main und den Verantwortlichen des Stadtgesundheitsamts zu
danken, die uns damals nach jahrelangen Protesten der Roma Union und des
Fördervereins Roma die Anbringung dieser Gedenktafel ermöglichten.
Leider muss ich im gleichen Atemzug hinzufügen, das es ein Hohn und eine
Schande gegen alle, ich erwähne in diesem Zusammenhang wahrhaftig gegen
alle Opfer und Hinterbliebenen der Nazidiktatur, ist, dass der
Bundesgerichtshof in Karlsruhe am 28.07.2005 ein schier unmenschliches
Urteil fällte. Die Aussage: "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" wäre nicht
strafbar und das genau ein halbes Jahr nach dem 60.Jahrestag der Befreiung
des KZ Auschwitz-Birkenau am 27Januar 2005.
Ich danke Ihnen.
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