Ansprache zum 61. Jahrestag der Liquidierung des "Zigeunerlagers" Auschwitz
(Lothar Winter, FFm, Stadtgesundheitsamt, 02.08.2005
)


 

Ansprache und Kranzniederlegung von Lothar Winter, Vorstand des Roma und Sinti Beratungs- und Informationsbüros " Amari Bacht" anlässlich des 61. Jahrestags der Liquidation des Zigeunerlagers Auschwitz-Birkenau am 02.08.2005 in der Braubachstraße 18-22 am Stadtgesundheitsamt Ffm.

Sehr geehrte Damen und Herren,
der Name Auschwitz steht in der Öffentlichkeit auch symbolhaft für den staatlich organisierten Völkermord an unserer Minderheit im nationalsozialistisch besetzen Europa, dem fast eine halbe Million Roma und Sinti zum Opfer fielen. Auschwitz war der Endpunkt eines Prozesses der Entrechtung und Entmenschlichung, der mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten eingesetzt hatte.

Bereits in seinem grundlegenden Erlass vom 8.Dezember 1938 sprach Himmler von der Notwendigkeit einer "endgültigen Lösung der Zigeunerfrage". Auschwitz war das eigentliche Zentrum jener Politik der "Endlösung".
Auf der Grundlage des Himmler-Befehls vom l6.Dezember 1942 wurden Tausende Roma und Sinti aus dem Deutschen Reich und den von der deutschen Wehrmacht besetzten europäischen Ländern nach Auschwitz deportiert. Sie wurden erniedrigt, gequält und auf bestialische Weise ermordet.
Für fast alle nach Auschwitz-Birkenau verschleppten war es die letzte Station ihrer Verfolgungsgeschichte.
In einem unglaublichen Akt der Unmenschlichkeit wurden in der Nacht vom 2. auf dem 3. August 1944, bei der Auflösung des "Zigeunerlagers" Auschwitz-Birkenau, die letzten 2900 Überlebenden Roma und Sinti in den Gaskammern ermordet.

Eva Justin und Robert Ritter, nur zwei maßgebliche "NS-Rasse forscher", waren allein für den Tod von über 20000 Roma und Sinti verantwortlich, in dem sie durch eine systematische Erfassung und ihren "rassenbiologischen" Untersuchungen die Todesurteile der Roma und Sinti im Vorfeld billigten, und mit ihren Gutachten die Deportation und damit auch ihre Vernichtung einplanten. Obwohl ihre Verbrechen an der Menschlichkeit der Stadt Frankfurt bekannt waren, wurden sie nicht strafrechtlich belangt und nach 1945 im Sozial- und Gesundheitsamt in leitenden Positionen beschäftigt.
Eva Justin hatte im Rahmen ihrer Tätigkeit und im Auftrag der Stadt Frankfurt am Main erneut mit Roma und Sinti, das heißt mit Überlebenden des Holocaust oder deren Kindern, zu tun.
Das Stadtgesundheitsamt in der Braubachstrasse soll nicht nur ein Ort des Gedenkens, sondern zugleich ein Ort der Mahnung angesichts heutiger Verbrechen an die Menschlichkeit sein. Zu Recht werden die Gefahren eines wachsenden Ausländerhasses in der BRD benannt. Besondere Besorgnis erregt die Zunahme rassistischer Gewalt gegenüber den Roma und Sinti, der größten Minderheit in Europa.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,
es ist mir an diesem heutigen Gedenktag ein wichtiges Anliegen der Stadt Frankfurt am Main und den Verantwortlichen des Stadtgesundheitsamts zu danken, die uns damals nach jahrelangen Protesten der Roma Union und des Fördervereins Roma die Anbringung dieser Gedenktafel ermöglichten.
Leider muss ich im gleichen Atemzug hinzufügen, das es ein Hohn und eine Schande gegen alle, ich erwähne in diesem Zusammenhang wahrhaftig gegen alle Opfer und Hinterbliebenen der Nazidiktatur, ist,  dass der Bundesgerichtshof in Karlsruhe am 28.07.2005 ein schier unmenschliches Urteil fällte. Die Aussage: "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" wäre nicht strafbar und das genau ein halbes Jahr nach dem 60.Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau am 27Januar 2005.

Ich danke Ihnen.