Frankfurt, den 20.9.2011,
Weltkindertag
Am 15.9.2011 haben fünf Sozialarbeiter des
Sozialrathauses Dornbusch sowie zwei Polizisten ein zwei und ein
vierjähriges Mädchen aus dem Kindergarten der Kindertagestätte Schaworalle
des Förderverein Roma e. V. in Obhut genommen. Einer Mitarbeiterin der
Einrichtung wurde untersagt, die Kinder ins Heim oder die
Bereitschaftspflege zu begleiten. Die ebenso unangebrachte wie
unangemessene Aktion hinterließ letztlich verängstigte Kinder, schockierte
Mütter und etliche offene Fragen.
Zum Hintergrund. Eine
junge Mutter mit fünf minderjährigen Kindern zwischen 10 Monaten und 5
Jahren ist überfordert. Der Lebensgefährte und Vater kann nicht für eine
verantwortungsvolle Übernahme von Erziehungsaufgaben gewonnen werden. Die
sieben Personen leben in zwei kleinen Apartments im Wohnheim. Allein die
Enge produziert Probleme. Der Förderverein Roma nahm ab Dezember 2009 die
Unterstützung durch eine Familienhelferin und eine Notmutter wahr. Zwei
der Kinder besuchten seit Frühjahr 2010, ein weiteres seit Januar 2011 den
Kindergarten der Kita Schaworalle. Eine In-Obhutnahme des jüngsten Kindes
kurz nach der Geburt durch das Jugendamt wurde seitens des
Familiengerichtes kassiert, das Baby kam im Frühjahr d. J. in die Familie
zurück. Unterschiedliche Einschätzungen bezüglich der Lage der Kinder
führten zum Wechsel des Trägers der Familienhilfe. Geblieben ist die
Unterstützung seitens des Fördervereins durch einen Fahrdienst, die
Notmutter und die Betreuung innerhalb der Kita. Darüber hinaus fand eine
enge Anbindung an die Sozialberatung des Vereins statt. Ein Gutachten
konstatierte Anfang Mai eine bedingte Erziehungsfähigkeit der Mutter und
den Bedarf an zusätzlichen Hilfen.
Am 13.9.2011 fand eine weitere Anhörung seitens
des Familiengerichtes statt. Vor einer Entscheidung wollte das Gericht
sich selbst einen Eindruck von den Kindern verschaffen und vereinbarte
einen Termin. Es gab Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen zu
erneuten, erst im Termin erhobenen Vorwürfen. Leider sind die anwesenden
Mitarbeiter des Vereins nicht zu Wort gekommen. Das Jugendamt bestand auf
deren Ausschluss während der mündlichen Verhandlung. Allein das Gutachten
und die Ausführungen des Jugendamtes waren Gegenstand. So konnte ein
Gefahrenszenario bezüglich Aufsicht und Versorgung dargelegt werden -
festgeschrieben auf den Zeitpunkt Mai 2011 - dem die Einschätzungen und
die praktischen Erfahrungen der Pädagogen, Familienhelfer und Betreuer des
Förderverein Roma, die vor Ort im Auftrag des Jugendamts tätig war,
widersprechen. Entgegen Risiken, Bindungsproblemen und Versorgungslücken
wird hier von einem zwischenzeitlich tragfähigen und vertrauensvollen
Verhältnis zwischen Mutter und Kindern, von adäquater Versorgung,
regelmäßigem Kindergartenbesuch, guter Integration in Gruppe und
Vorschulunterricht berichtet.
Die Konstruktion des massiven Verdachts einer
Gefahr, dass Mutter und Kinder angeblich nach Rumänien ausreisen würden,
hat das Jugendamt am 14.9. bewogen, einen kurzfristigen Beschluss zu
erwirken. Mit der Realität hat dieser Verdacht nichts zu tun. Die
Betroffenen führen zwangsweise seit knapp zwei Jahren ein öffentliches
Leben, beobachtet, unterstützt und kontrolliert von Nachbarn, der
Heimleitung, dem Jugendamt, der Familienhilfe, dem Fahrdienst, der
Notmutter, der Kindertagesstätte, der Sozialberatung, dem Sozialamt und
dem Jobcenter. Zu keinem Zeitpunkt in den letzten 12 Monaten, selbst nicht
nach der ersten ungerechtfertigten In-Obhutnahme, ist die Familie
untergetaucht. Im Gegenteil, das Jugendamt wusste, dass in Kürze eine
Wohnung angemietet werden konnte.
In einem Akt von Willkür, bar des erforderlichen
pädagogischen Sachverstandes und Einfühlungsvermögens, wurde die Politik
der vollendeten Tatsachen umgesetzt und viel Porzellan zerbrochen. Zwei
Kinder sind nunmehr im Heim bzw. einer Pflegefamilie, nach der Mutter und
den drei anderen Kindern wird mit Haftbefehl wegen Kindesentführung
gesucht. Das Netz der Unterstützung ist zerrissen. Die Aussicht auf
Anmietung einer Wohnung, die weitere Stabilität gebracht hätte,
zerschlagen. Schutz und Förderung seitens der Kita kann ebenso wenig
geleistet werden, wie die Hilfe durch die Notmutter oder die
Sozialberatung. Allerdings ist davon auszugehen, dass Mutter und Kinder in
einer schlechteren Verfassung sind als vorher und die beiden Mädchen durch
die Fremdplatzierung erhebliche Probleme haben.
Es stellt sich die Frage, was an der Erwägung
einer Mutter mit rumänischer Staatsbürgerschaft und fünf Kindern abwegig
ist, wenn sie beabsichtigt, ins Herkunftsland auszureisen, weil vor Ort
statt Hilfe der Entzug der Kinder droht und in Rumänien zumindest der
Schutz und die Unterstützung der Großfamilie besteht. Es stellt sich auch
die Frage, welcher behördlicher Begriff von Kinderschutz existiert, wenn
in einem anderen Fall eine Roma-Familie genötigt wurde, auszureisen, da
aufgrund der drohenden Obdachlosigkeit das Kindeswohl gegenüber den
Vertretern des Jugendamtes nicht garantiert werden konnte.
Nach Vorstellung des Fördervereins sieht Kinderschutz anders aus; auch bei
Roma-Kindern.
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