Pressemitteilung:
Das Schicksal des Sinto Willy Blum, der an Stelle von Stefan Jerzy Zweig
in das Vernichtungslager Auschwitz geschickt wurde, bleibt beim ARD
Themenabend systematisch verschwiegen.
Das Schicksal von Stefan Jerzy Zweig, das von UFA-Geschäftsführer Hofmann
für die ARD in der Neuverfilmung von „Nackt unter Wölfen“ gezeigt wird,
ist untrennbar mit dem Schicksal von Willy Blum verbunden. Willy Blum war
der 16-jährige Sintojunge, der gegen den damals dreijährigen Stefan
ausgetauscht wurde, als ein Transport von Juden vom Konzentrationslager
Buchenwald für das Vernichtungslager Auschwitz zusammengestellt wurde.
Gerade das Schicksal dieser beiden Kinder, Stefan Jerzy Zweig und Willy
Blum, zeigt, daß es innerhalb des unmenschlichen Lagersystems der Nazis
und der SS es keine Rettung gab, daß oft für jeden Menschen, der überleben
konnte, ein anderer Mensch sterben mußte. An dieser ausweglosen Situation
litten und leiden bis heute die Überlebenden – im Gegensatz zu den Tätern
der SS und der Wachmannschaften.
Als deshalb völlig unbegreiflich bezeichnet es der Vorsitzende des
Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, daß sowohl die
Neuverfilmung als auch die anschließende Dokumentation über das Lager
Buchenwald trotz der genauen Kenntnis der historischen Wahrheit das
Schicksal von Willy Blum komplett verschweigen. Es sei unglaublich, daß
trotz einer Riege von historischen Fachberatern die ARD im gesamten
Themenabend weder Willy Blum noch die tausende Sinti und Roma, die
Häftlinge im Konzentrationslager Buchenwald waren, nicht ein einziges Mal
erwähnt werden. In allen großen deutschen Medien, von Zeit und Spiegel
bis zur FAZ wurde darauf hingewiesen, daß Willy Blum an Stelle des
jüdischen Jungen Stefan auf die Todesliste für Auschwitz gesetzt worden
war.
Dies wiegt um so schwerer, als der Film durch seine para-dokumentarische
Darstellung, die Einblendung von historischen Filmaufnahmen aus dem Lager
und der Darstellung des Kriegsgeschehens, den Anschein von historischer
Objektivität erwecken will. Tatsächlich aber wird, mehr noch in der
nachfolgenden Dokumentation über das Lager Buchenwald, die historische
Wahrheit manipuliert, indem das Schicksal von Willy Blum und damit
generell der Völkermord an Sinti und Roma systematisch und bewußt
verschwiegen wird.
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wendet sich heute mit einem
Schreiben an den Vorsitzenden der ARD, Herrn Lutz Marmor, und den
Produzenten der UFA, Nico Hofmann, und forderte die ARD auf, nach dieser
Neuverfilmung und dem dazugehörigen Thementag der ARD jetzt in gleicher
Weise dem Schicksal von Willy Blum und der Sinti und Roma in
NS-Lagersystem zu dokumentieren. Er erwarte außerdem, daß die
Neuverfilmung von „Nackt unter Wölfen“ in Zukunft mit einem entsprechenden
Hinweis auf die historische Wahrheit gesendet beziehungsweise online
gezeigt wird, so Rose in seinem Schreiben.
Herbert Heuss
Wissenschaftlicher Leiter
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