"Nackt unter Wölfen"
 Zentralrat Deutscher Sinti und Roma erhebt schwere Vorwürfe gegen die ARD
(02. April 2015)




Pressemitteilung:

Das Schicksal des Sinto Willy Blum, der an Stelle von Stefan Jerzy Zweig in das Vernichtungslager Auschwitz geschickt wurde, bleibt beim ARD Themenabend systematisch verschwiegen.

Das Schicksal von Stefan Jerzy Zweig, das von UFA-Geschäftsführer Hofmann für die ARD in der Neuverfilmung von „Nackt unter Wölfen“ gezeigt wird, ist untrennbar mit dem Schicksal von Willy Blum verbunden.  Willy Blum war der 16-jährige Sintojunge, der gegen den damals dreijährigen Stefan ausgetauscht wurde, als ein Transport von Juden vom Konzentrationslager Buchenwald für das Vernichtungslager Auschwitz zusammengestellt wurde.

Gerade das Schicksal dieser beiden Kinder, Stefan Jerzy Zweig und Willy Blum, zeigt, daß es innerhalb des unmenschlichen Lagersystems der Nazis und der SS es keine Rettung gab, daß oft für jeden Menschen, der überleben konnte, ein anderer Mensch sterben mußte.  An dieser ausweglosen Situation litten und leiden bis heute die Überlebenden – im Gegensatz zu den Tätern der SS und der Wachmannschaften.

Als deshalb völlig unbegreiflich bezeichnet es der Vorsitzende des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, daß sowohl die Neuverfilmung als auch die anschließende Dokumentation über das Lager Buchenwald trotz der genauen Kenntnis der historischen Wahrheit das Schicksal von Willy Blum komplett verschweigen.  Es sei unglaublich, daß trotz einer Riege von historischen Fachberatern die ARD im gesamten Themenabend weder Willy Blum noch die tausende Sinti und Roma, die Häftlinge im Konzentrationslager Buchenwald waren, nicht ein einziges Mal erwähnt werden.  In allen großen deutschen Medien, von Zeit und Spiegel bis zur FAZ wurde darauf hingewiesen, daß Willy Blum an Stelle des jüdischen Jungen Stefan auf die Todesliste für Auschwitz gesetzt worden war.

Dies wiegt um so schwerer, als der Film durch seine para-dokumentarische Darstellung, die Einblendung von historischen Filmaufnahmen aus dem Lager und der Darstellung des Kriegsgeschehens, den Anschein von historischer Objektivität erwecken will. Tatsächlich aber wird, mehr noch in der nachfolgenden Dokumentation über das Lager Buchenwald, die historische Wahrheit manipuliert, indem das Schicksal von Willy Blum und damit generell der Völkermord an Sinti und Roma systematisch und bewußt verschwiegen wird.

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wendet sich heute mit einem Schreiben an den Vorsitzenden der ARD, Herrn Lutz Marmor, und den Produzenten der UFA, Nico Hofmann, und forderte die ARD auf, nach dieser Neuverfilmung und dem dazugehörigen Thementag der ARD jetzt in gleicher Weise dem Schicksal von Willy Blum und der Sinti und Roma in NS-Lagersystem zu dokumentieren.  Er erwarte außerdem, daß die Neuverfilmung von „Nackt unter Wölfen“ in Zukunft mit einem entsprechenden Hinweis auf die historische Wahrheit gesendet beziehungsweise online gezeigt wird, so Rose in seinem Schreiben.

Herbert Heuss
Wissenschaftlicher Leiter