Antiziganismus nimmt zu
Seit 1990 wird der Welt-Roma-Tag begangen. Ein Aktionstag, der sich
gegen Diskriminierung und Verfolgung von Roma und Sinti richtet und an die
Vernichtung im Nationalsozialismus erinnert.
Die Situation von Roma
und Sinti hat sich verschlechtert.
Der Förderverein Roma erhält
regelmäßig Informationen über Ausweisungen von Roma, teilweise nach
Zwangsinternierung in Abschiebelagern, in das ehemalige Jugoslawien, wo
sie Perspektivlosigkeit, Gewalt und Armut erwarten. Nachrichten, nicht nur
aus Osteuropa, über Pogrome, staatliche und gesellschaftliche Ausgrenzung,
über die hohe Kindersterblichkeit und die allgemein geringe
Lebenserwartung, über die nicht vorhandenen Bildungschancen, den
weitgehenden Ausschluss vom Arbeitsmarkt und das Fehlen von jeglicher
gesellschaftlicher Teilhabe vervollständigen das Bild. Roma und Sinti
dienen mehr denn je als sogenannte Sündenböcke und sind zunehmend
rassistischen Angriffen schutzlos ausgesetzt.
Vor 600 Jahren wurde
erstmals die Ankunft von Roma in Frankfurt am Main erwähnt. Doch auch die
Rhein-Main-Metropole ignoriert die Probleme vieler Roma und Sinti.
Der Flughafen dient als zentrale Abschiebedrehscheibe. Nicht zuletzt
Kindern, alten Menschen und Kranken wird das Bleiberecht verweigert und
die Ausweisung in die Balkanstaaten zügig durchgeführt - ein Transport in
Hoffnungslosigkeit und Elend.
Nach der Räumung der Brache im
Februar 2017 durch das Ordnungsamt ist aktuell die Vertreibung von ca. 30
Roma auf einer weiteren Brache im Gutleutviertel zu erwarten. Viele
Menschen, die sich dort notdürftig Unterkünfte errichteten, haben bereits
vorher auf der Straße gelebt. Der Förderverein Roma berät die Betroffenen,
hilft bei der Versorgung und hält für Interessierte Plätze im
trägerinternen Deutsch-Kurs vor. Die Roma suchen nach Arbeit, in der sie
nicht selten hemmungslos ausgebeutet werden. Sie überleben durch betteln,
Leergutsammeln, den Handel mit Sperrmüll und Trödel. Mit dem was sie
erwirtschaften unterstützen sie ihre Familien in den Herkunftsländern.
Seit Jahren dominiert ihnen gegenüber die Politik der Verachtung und
Verfolgung. Statt menschenwürdige Unterkünfte zu schaffen, setzt die
Kommune auf Kriminalisierung, Einschüchterung und Ausreiseaufforderungen.
So hat das Frankfurter Ordnungsamt vor kurzem in den Pass einer Romni den
Vermerk gestempelt, dass sie beim Betteln angetroffen worden ist. Diese
Vorgehensweise ist eindeutig rechtswidrig, sie demütigt und stigmatisiert
die Frau. Die Nötigung wirkte und sie reiste aus. Eine Entschuldigung, die
Finanzierung neuer Papiere und weiterer Schadenersatz wird seitens des
Amtes mit keiner Silbe thematisiert. Es bleibt der Betroffenen allein,
sich auf dem Rechtsweg von Rumänien aus gegen die erfahrene Willkür zu
wehren.
Der Austausch von Sozial- durch Ordnungspolitik zeigt sich
in alarmierenden Einzelfällen. Beispielhaft sei hier die Lage eines jungen
Mannes, Roma aus Rumänien, erwähnt. Er leidet seit seiner Kindheit an
einer geistigen Behinderung, hat Pflegestufe 3 und wurde bisher von der
Mutter betreut, die auch als Pflegerin bestellt ist. Die verweigerten
Leistungen seitens des Sozialamtes führten zur Obdachlosigkeit. Er klagte
erfolgreich und lebt dennoch auf der Straße, da keine geeigneten Räume für
Mutter und Sohn bereitgestellt werden. Vielmehr wird - ungeachtet des
testierten Krankheitszustandes, der enormen Eigen- und Fremdgefährdung und
der dringend erforderlichen Unterstützung - amtlicherseits empfohlen, dass
er sich befristet in einer Notunterkunft aufhalten oder alternativ nach
Rumänien ausreisen könne.
Die offene Armut der Roma wird von einer
breiten gesellschaftlichen Ablehnung und von Öffentlichkeitskampagnen
begleitet, deren Menschenbild jegliche Restbestände von historischer
Verantwortung, Differenzierung und Empathie gänzlich vermissen lässt. Das
vermeintlich weltoffene Frankfurt zeigt sich gegenüber im Elend lebenden
Roma und Sinti jenseits seiner finanziellen und strukturellen
Möglichkeiten ebenso verantwortungslos und fahrlässig wie die oft
kritisierten Metropolen in Osteuropa.
Obdachlose Roma sind
gleichzeitig Zielscheibe von Angriffen. Mit Nachdruck weist der
Förderverein Roma in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach knapp zwei
Jahren immer noch keine Ermittlungsergebnisse bezüglich der beiden
Brandanschläge auf Roma im Jahr 2016 in Frankfurt am Main vorliegen und
erinnert an die seit Jahren erhobene Forderung, ein Haus für Roma zu
errichten.
Ffm., den 6.4.2018
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