Anlässlich des Beginns der Bürgerrechtsbewegung gegen Rassismus
und Diskriminierung von Roma und Sinti am 9.4.1971 in London wird der 8.
April weltweit als Tag der Roma begangen. Einzelne Initiativen haben sich
bereits früher gegen Ausgrenzung und für Entschädigung aufgrund der
erlittenen Verfolgung und Vernichtung im Nationalsozialismus eingesetzt,
so zum Beispiel auch in Frankfurt am Main seit Mitte der fünfziger Jahre.
Die internationale Bewegung zur Verbesserung der Situation geht jedoch auf
den Kongress von 1971 zurück.
Insbesondere mit Gründung des
Zentralrats der deutschen Sinti und Roma in Heidelberg und den ihm
angeschlossenen Landesverbände hat sich in der 80iger Jahren die
Menschenrechtsarbeit in der Bundesrepublik formiert. Hinzu kamen Vereine,
die sich seit über 30 Jahren neben dem Engagement für deutsche Roma und
Sinti vor allem für Roma MigrantInnen einsetzen. Mit dem Bürgerkrieg in
Jugoslawien und der Öffnung der osteuropäischen Staaten hat diese Arbeit
an Bedeutung gewonnen. Sie thematisiert allerdings auch die Situation von
Roma, die in den Jahrzenten zuvor, insbesondere als sogenannte
Gastarbeiter, ihre Existenz in Deutschland begründet haben.
Trotz
der erfolgreichen Organisation von Sinti und Roma und ihren
UnterstützerInnen, trotz der bundesweiten und internationalen Vernetzung
der Betroffenen stellt der Förderverein Roma fest, dass Rassismus,
Ausgrenzung und Diskriminierung gegenüber Roma und Sinti zugenommen haben
und aktuell eine existentielle Gefahr darstellen.
Die
Menschenrechtssituation von Roma generell ist alarmierend. Bulgarien plant
eine restriktive Sondergesetzgebung für Roma, der italienische
Innenminister Salvini arbeitet an einen Roma-Zensus mit der Zielsetzung,
umfassende Kontrolle und effektiver Abschiebung umzusetzen, was die
deutsche AfD begrüßend aufnimmt, in Frankreich sind Roma pogromartiger
Hetze ausgesetzt, weil die Mär des Kinderdiebstahls gezielt kolportiert
wird, in der Ukraine wurde ein junger Rom von Rassisten getötet, in der
Slowakei erheben Roma den Vorwurf der Zwangssterilisierung, die ungarische
Regierungspartei Fidesz vergleicht Roma mit Tieren, nachdem in einer
unvergleichbaren Mordserie vor zehn Jahren sechs Roma gezielt ermordet und
55 verletzt wurden. Generell dominiert in allen Ländern die Strategie,
Roma für ihr Elend selbst verantwortlich zu machen und sie für
gesellschaftliche Fehlentscheidungen als „Sündenbock“ zu präsentieren.
Die Abschiebung von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen
Jugoslawien läuft in deutschen Städten auf Hochtouren und wird von der
Einweisung in geschlossene Lager, euphemistisch als Ankerzentren
bezeichnet, begleitet. Ein Großteil dieser Menschen sind Roma, deren
Lebensmittelpunkt seit Jahrzehnten in Deutschland ist, deren Kinder die
Sprache der Zielländer nicht kennen und dort auf Hass und Ablehnung
stoßen. Die Versorgung, Unterkunft und ärztliche Behandlung der
Abgeschobenen vor Ort ist in der Regel katastrophal.
Die beiden in
2016 verübten Brandanschläge auf Roma in Frankfurt am Main sind nicht
aufgeklärt. Roma MigrantInnen haben nach der Änderung des
Sozialgesetzbuches unter SPD Ministerin Nahles auch in der Mainmetropole
keinen Anspruch auf Unterstützung. Die Verelendung der Menschen, die keine
Arbeit finden, nimmt zu, die Ausnutzung durch Sklavenarbeit auch. Obdach-
und mittellosen Roma-Familien mit Kindern wird mit Inobhutnahme gedroht,
statt eine menschliche Unterkunft im Sinne des grundrechtlich verbrieften
Schutzes der Familie anzubieten. Zwei Roma-Frauen erhielten einen Stempel
in den Pass, dass sie beim Betteln angetroffen worden seien. Die
Vorgehensweise des Ordnungsamtes war rechtswidrig, machte den Pass
ungültig und führte letztlich zur beabsichtigten Reaktion: die beiden
Frauen reisten aus Angst aus. Eine qualitative Studie über die Situation
von Menschen aus Osteuropa in Frankfurt am Main berichtet davon, dass sich
Roma über Antziganismus in Behörden beschweren. Die Räumung der beiden
Brachen, auf denen Roma aus Osteuropa sich selbst organsierten und durch
Arbeit für ihr Leben und das ihrer in Rumänien und Bulgarien verbliebenen
Familien sorgten, war ein Zeichen, dass auch die so oft bemühte
Selbsthilfe nicht akzeptiert wird. Die Maxime des Ordnungsamtes ist wie in
allen anderen deutschen Städten die Schaffung von Existenzdruck,
Kriminalisierung, Angst und schließlich Vertreibung. Berichte von
Übergriffen durch Polizisten, Schilderungen von Gewalt und der Missachtung
persönlicher Rechte auf den Revieren häufen sich nicht nur in der
Beratungsstelle des Förderverein Roma.
Ungeachtet einzelner
länderspezifischer Vereinbarungen bleibt auch der Schulbereich ein Ort von
Ausgrenzung. Die Ausbildung von LehrerInnen und StudentInnen beinhaltet
nicht regelhaft und verpflichtend die Auseinandersetzung mit der
Geschichte der Marginalisierung, Benachteiligung, der Verfolgung und des
Massenmords in der NS-Zeit und dessen Wirkungsgeschichte bis in die
Gegenwart. Die Lehrpläne an den Schulen machen es davon abhängig, ob
engagierte LehrerInnen oder SchülerInnen die Frage der jahrhundertelangen
Ausgrenzung von Roma und Sinti zum Gegenstand des Unterrichts machen,
bindend ist es bisher im Curriculum nicht vorgesehen. Andererseits gibt es
kaum eine Gruppe, deren Kinder so häufig und ebenso übereilt wie
unzulässig von Schulen und Fachbehörden für den Unterricht an
Förderschulen empfohlen werden. Eine Vorgehenswiese, die die SchülerInnen
ein Leben lang stigmatisiert und die rechtliche Maßgabe zur Inklusion
missachtet.
Die Leipziger Autoritarismus Studie von 2018
dokumentiert eine mehrheitliche Ablehnung von Roma und Sinti. Zwischen 60%
und 70% der Befragten haben erhebliche Ressentiments, d. h. gegen die
gesamte Gruppe von Menschen. Das Recht auf Individualität, auf Integrität
und auf Differenzierung, die Grundlage demokratischer ziviler
gesellschaftlicher Umgangsweise, wird in der pauschalen Beurteilung Roma
und Sinti in Gänze abgesprochen.
Der Förderverein Roma fordert
angesichts der prekären Menschenrechtslage ein Bleiberecht für
asylsuchende Roma-Flüchtlinge. Der Diskriminierung von Roma und Sinti muss
mehr denn je durch ein breites Engagement für die Bürger- und
Menschenrechte entgegengetreten werden. Insbesondere die zunehmende
Verarmung von Roma MigrantInnen erfordert hinsichtlich Versorgung,
Wohnung, Bildung, Gesundheit und Schutz vor Rassismus eine gezielte
gesetzlich verankerte Unterstützung. Der Förderverein Roma erinnert in
diesem Zusammenhang wiederholt an die Umsetzung des Projektes „Ein Haus
für Roma“ in Frankfurt am Main.
Frankfurt am Main, den 4.4.2019
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