Über mehrere Wochen hielt in Frankfurt das unwürdige Tauziehen um das
Schicksal eines Neugeborenen und seiner Mutter an. Es war ein ungleiches
Kräftemessen. Auf der einen Seite die verzweifelte Mutter, eine in
Frankfurt lebende Sexarbeiterin mit Roma-Hintergrund. Auf der Gegenseite
die geschlossene Phalanx von Uni-Klinik, Jugendamt, Besondere Dienste 3
(Sozialamt) und Jobcenter, die der Mutter rechtswidrig ihr Kind wegnahmen
und es als Faustpfand einsetzten: Kind zurück, wenn die Mutter ein
kostenloses städtisches Rückkehr-Ticket nach Rumänien in Anspruch nimmt
und samt Kind ausreist - oder Kind in Pflegefamilie!
Angeblich
seien die Wohnverhältnisse und die finanzielle Situation der Mutter
ungeklärt und die behördliche Inobhutnahme des Kindes im Interesse des
Kindeswohls unumgänglich. Doch die vom Jugendamt vorgebrachten Gründe
waren an den Haaren herbeigezogen: Die Mutter verfügte über eine solide
Wohnunterkunft und sofern die finanziellen Verhältnisse unklar waren, lag
es einzig und allein am Jobcenter, das die Auszahlung des der Mutter
rechtlich zustehenden ALG II unter immer neuen Vorwänden hinauszögerte.
Auch die vom Jugend- und Sozialamt bemühte Ausrede, die Mutter hätte gar
keinen Anspruch auf ALG II, da sie keinen Arbeitsvertrag und keinen
5-jährigen Aufenthalt in Deutschland vorweisen könne, war nichts weiter
als eine mutwillig bemühte Konstruktion, die den legitimen Rechtsanspruch
von Frau S. mit Füßen trat.
Der Kindesentzug erwies sich vor diesem
Hintergrund als perfides Mittel, die Mutter unter Druck zu setzen, samt
neugeborenem Kind umgehend das Land zu verlassen, was mit Mitteln des
Ausländerrechts nicht mehr zu erreichen war.
Diesem unwürdigen
Schauspiel setzte das Frankfurter Familiengericht gestern
erfreulicherweise ein Ende. Es gab der Mutter Recht und sprach ihr wieder
ihr Kind zu.
Die überglückliche Mutter hat inzwischen ihr Baby
zurückerhalten und bekommt das ihr zustehende ALG II sowie eine
geräumigere Übergangswohnung. Dona Carmen e. V. hat Frau S. in dem
Kampf um ihr Kind begleitet und tatkräftig unterstützt, hat für die
notwendige mediale Öffentlichkeit gesorgt und so den Druck aufgebaut, um
die Behörden auf den rechtsstaatlichen Weg zurückzubringen.
In die
Freude über den Erfolg mischt sich jedoch die Sorge und Befürchtung, dass
der jetzige Fall kein Einzelfall ist. Dafür gibt es eine Reihe von
Anhaltspunkten. Zu routiniert und eingespielt haben die zuständigen
Behörden gegen die Sexarbeiterin kooperiert, zu selbstgefällig hat man
versucht, die legitime Rechtsposition der Mutter mit windigen
Konstruktionen zu unterminieren. Es kann nicht sein, dass es erst des
Eingreifens von Dona Carmen e. V. bedarf, dass migrantischen
Sexarbeiterinnen mit Roma-Hintergrund die Rechte gewährt werden, die ihnen
von Gesetzes wegen zustehen.
Um Zweifel hinsichtlich des Verhaltens
der in den Fall involvierten Frankfurter Behörden auszuräumen, hat Dona
Carmen e. V. in einem „Offenem Brief“ an die zuständige Frankfurter
Sozialdezernentin, Frau Prof. Dr. Daniela Birkenfeld CDU), Transparenz und
umfassende Aufklärung über die bisherige Praxis im Umgang mit den in
Frankfurt tätigen südosteuropäischen Sexarbeiterinnen eingefordert,
insbesondere solchen mit Roma-Hintergrund. Dona Carmen e. V. fordert
eine Überprüfung und Offenlegung der bisherigen Ämterpraxis, die Klärung
von Verantwortlichkeiten sowie Informationen darüber, wie das durch
Behördenhandeln verursachte menschliche Leid sowie die im vorliegenden
Fall aufgetretenen Rechtsbrüche in Zukunft verhindert werden können.
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