In Hanau wurden am 19.2.2020 neun Menschen, Mercedes Kierpacz,
Vili Viorel Paun, Kaloyan Velkov, Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said
Nesar Hashemi, Hamza Kurtovic, Fatih Saracoglu und Ferhat Unvar aus
rassistischen Gründen ermordet – anschließend erschoss der aus Hanau
stammende Tobias R. seine Mutter und sich selbst. Mercedes Kierpacz war
eine junge deutsche Romni, sie hinterließ zwei Kinder und ihren Mann,
Kaloyan Velkov war Rom aus Bulgarien und Vili Viorel Paun Rom aus
Rumänien.
Trotz
Beendigung des Untersuchungsausschusses im hessischen Landtag sind
zentrale Fragen offen. Die kolportierte Einzeltäterthese ist unhaltbar.
Tobias R. war aktiv im Netz, bekundete und begründete über Video und
Bekennerschreiben seine rechtextreme und neonazistische Gesinnung. Die Tat
war vorhersehbar.
Villi Viorel Paun versuchte
vergeblich, als er Tobias R. verfolgte, einen polizeilichen Notruf
abzusetzen. Die Dienststelle war nicht ausreichend besetzt und das
Notrufsystem völlig überaltert. Auch die Fluchttür an einem Tatort war
verschlossen, die Polizei traf zu spät ein, handelte unkoordiniert und
ging völlig unsensibel gegenüber den Angehörigen vor. Die Frage nach einer
angemessenen finanziellen Entschädigung ist offen.
Letztlich ist es das Verdienst
der Angehörigen und Unterstützer:innen, dass es weiterhin umfängliche
Untersuchungen, Klageverfahren und die Benennung von Verantwortlichkeiten
gibt.
Die
Kontinuität von tödlichem Hass und Ignoranz verdeutlicht sich in der
Familiengeschichte der ermordeten Romni Mercedes Kierpacz. Filip Gomans
Großvater wurde in Auschwitz vergast. Sein Vater und er haben sich
vergeblich für eine angemessene Entschädigung, für Anerkennung und Respekt
gegenüber der Minderheit engagiert – sie wurde nicht nur behördlich,
sondern auch von der Gesellschaft verweigert. Am 19.2.2020 hat Filip
Gomann seine Tochter Mercedes Kierpacz verloren - durch Schüsse eines
Neonazis in Hanau.
Es
bleibt nicht ohne Folgen, wenn Minderheiten, insbesondere Roma und Sinti,
Flüchtlinge und MigrantInnen mehr denn je als Problem bezichtigt werden.
Die konstruierte Zuschreibung der Verantwortung von Geflüchteten durch
AFD, alle bürgerlichen Parteien und einer breiten gesellschaftlichen
Mehrheit bedeutet letztlich nicht nur die Abschaffung des Grundrechts auf
Asyl und unveräußerlicher Menschenrechte – sie bedeutet vor allem
Denunziation sowie rassistische und antisemitische Gewalt gegenüber
Schutzsuchenden.
Der
Förderverein Roma hat 2023 in Kooperation mit dem hessischen Landesverband
der deutschen Sinti und Roma die Melde- und Informationsstelle
Antiziganismus (MIA) aufgebaut. Die umfängliche Dokumentation von
diskriminierenden Vorfällen, die Ahndung der Täter:innen und die Hilfe für
Betroffenen ist die Aufgabe der Initiative. MIA Hessen beschreibt für 2024
144 Fälle von alltäglichen Benachteiligungen bis hin zur offenen Gewalt.
Bereits in 2023 wurden 113 Meldungen für Hessen registriert.
Angesichts des fortschreitenden Abbaus der Rechte von Geflüchteten,
Migrant:innen und Minderheiten und der Zunahme von rassistischer und
antisemitischer Gewalt ruft der Förderverein Roma e. V. zur Unterstützung
der Betroffenen auf.
Ffm.,
den 18.02.2025
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