Presseerklärung zu "Heimat Babylon" (Februar 1993)


Die Roma Union Frankfurt am Main und der Verein zur Schaffung eines Roma Gemeindezentrums protestieren mit der heutigen Aktion gegen die von Daniel Cohn-Bendit und Thomas Schmid in dem Buch "Heimat Babylon" veröffentlichten diskriminierenden Äußerungen gegenüber Sinti und Roma.

Kennzeichnungen wie "troublemakers", "asozial" und "unsozial" als charakteristisches Merkmal einer ethnischen Minderheit sind nicht alleine untauglich, um die vielbeschworene Dialogfähigkeit voranzutreiben, sie schreiben bewußt die weit verbreitete fremdenfeindliche Haltung in der Bevölkerung fort, die gerade heute aufgrund ihrer bedrohenden Konsequenz für die Roma durchbrochen werden muß. 

Es ist unverantwortlich, wenn Stadtrat Daniel Cohn-Bendit als politisch zentrale Person in Frankfurt am Main in seinem programmatischen Entwurf für eine multikulturelle Gesellschaft derart undifferenziert wie bedenkenlos Vorurteile, Gerüchte und Halbwahrheiten über eine seit Jahrhunderten verfolgte Minderheit als Erkenntnis kolportiert. Ihm sollte klar sein, daß solche einschlägigen Stigmatisierungen letzten Endes nicht mehr als ein weiterer Mosaikstein im rassistischen Ressentiment gegenüber allem Nicht-Deutschen darstellen. 

Herr Cohn-Bendit hat sich vor der Veröffentlichung weder mit Betroffenen auseinandergesetzt noch anderweitig beraten lassen. Das hinlänglich bekannte einseitige Bild von der Schlechtigkeit und Schwierigkeit der Roma genügt ihm zur zweifelhaften Expertenschaft vollkommen. Es steht im Kontext zu früheren Äußerungen, wonach Stehlen und Lügen zum Lifestyle der Roma erhoben wird.

Eine völlig verfehlte Studie des Amts für multikulturelle Angelegenheiten (AmkA) zur sozialen Lage der Sinti und Roma in Ffm., das endlose Gezackere der Behörden um ein Roma Gemeindezentrum führt Daniel Cohn-Bendit in seinem Buch allein auf die Unzulänglichkeit, konkret "Denkverbote" der Roma selbst zurück. Wie hochnotpeinlich dieser Persilschein für das vom Verfasser funktionalisierte AmkA selbst ist, verdeutlicht ein Brief der Leiterin, Frau Wolf-Almanasreh, an die Roma Union, in dem es heißt "Ich selbst teile Ihre Auffassung, daß die Äußerungen in der o. a. Veröffentlichung mißverständlich und diskriminierend wirken. Ich distanziere mich deshalb auch ausdrücklich von den infrage stehenden Passagen über Roma und Sinti in dem Buch `Heimat Babylon`. Die allgemeine gesellschaftliche Diskriminierung und die schmerzliche Erfahrungen dieser Personengruppe sind mir bewußt. Die Mitarbeiter/-innen des Amtes für Multikulturelle Angelegenheiten hegen - das möchte ich Ihnen ausdrücklich versichern - keinerlei pauschale Vorstellungen und Einschätzungen über die Volksgruppen der Sinti und Roma."

Die Roma Union und der Gründerverein haben es wegen der Ungeheuerlichkeit der Vorwürfe abgelehnt, über die Rechtmäßigkeit der pauschalen Herabwürdigung der Sinti und Roma mit Herrn Cohn-Bendit zu reden. Das Maß ist voll. Raum für eloquentes Plaudern gibt es nicht mehr. Statt dessen wurde er aufgefordert, sich zu entschuldigen. Der Stadtrat kam dem nicht nach und vergab so auch die Chance einer möglichen künftigen Zusammenarbeit. 

Wir wollen heute nachdrücklich und unmißverständlich Herrn Cohn-Bendit gegenüber demonstrieren, daß solche einschlägigen, diskriminierenden Zuweisungen nicht weiter hingenommen werden. 
Die Zeit der fremd verordneten Bescheidenheit ist vorbei. Sinti und Roma sind weder Sündenböcke noch Objekte für Profilierungsbemühungen, sondern Menschen, deren Existenz und Widersprüchlichkeit als Grundbedingung jeder Veränderung vorerst zu akzeptieren ist. Nicht zuletzt hier in Deutschland und nicht zuletzt von etlichen vermeintlichen Freunden, wie Herrn Daniel Cohn-Bendit !