Zentrale Probleme in der
Flüchtlingsarbeit
Neben dem Betrieb der Kindertagesstätte „Schaworalle“, dem EU-Projekt
„Orientierung, Beschäftigung und Beschulung für Roma Jugendliche und junge
Erwachsene“ sowie den ambulanten Unterstützungen im Rahmen der
sozialpädagogischen Lern- und Familienhilfen und der sozialpädagogischen
Kleingruppenarbeit in Frankfurt am Main Höchst und Sossenheim bietet der
Förderverein Roma seit seiner Gründung als wesentliche Kerntätigkeit die
Beratung für Roma an.
Unterbringung
Die vorwiegend aus Rumänien kommenden Familien leben in Wohnungen, die regelhaft
am
untersten Standart anzuordnen sind, unter normalen Bedingungen nicht mehr zu
vermieten wären und oft als Spekulationsobjekte dienen. Zudem ist die Fläche der
Unterbringung in der Regel für die Familien zu klein, die Räume sind von der
Bausubstanz, der Lage als auch von der hygienischen Versorgung her oft völlig
unzureichend und überteuert.
Eine weitere Anmietungsmöglichkeit besteht, wenn die Kostenübernahme über das
Sozialamt gesichert ist, in der Unterbringung in Hotels. Neu ankommende Familien
ohne Obdach wohnen behelfsmäßig bei Familienmitgliedern. Dies führt zur
Überbelegung und zu Konflikten mit Hausnachbarn. Wird eine Unterbringung seitens
des Sozialamtes verweigert, schlafen die Familien in Parkanlagen oder Autos.
Zur gesundheitlichen Lage
Soweit eine Versorgung über das Sozialamt, d. h. über das
Bundessozialhilfegesetz oder über das Asylbewerberleistungsgesetz gewährleistet
ist, können die regelhaften Dienste der Ärzte und der Krankenhäuser über die
Behandlungsscheine der Sozialämter in Anspruch genommen werden.
Schätzungsweise 1/3 der Roma-Flüchtlinge im Rhein-Main-Gebiet erhalten diese
Leistung nicht oder nicht mehr. In Ausnahmefällen wird alleine noch die dringend
notwendige Krankenversorgung finanziert. Diejenigen, die auch davon
ausgeschlossen sind, müssen entweder jede ärztliche Hilfe, soweit sie überhaupt
zuteil kommt, selber bezahlen - was überwiegend auszuschließen ist - oder wenden
sich an die in Frankfurt existierende Sprechstunde für Roma. Dort wird
unentgeltlich und ohne Nennung der Namen eine erste ärztliche Versorgung
garantiert. Jede notwendige weitere stationäre Hilfe kann nur mit Absprache der
Kostenzusage durch das Sozialamt garantiert werden und ist prinzipiell nicht
gesichert. Die Roma-Sprechstunde ist eine seit sechs Jahren existierende
bundesweite Ausnahmeregelung und wird von den betroffenen Familien
vertrauensvoll wahrgenommen. Die unter den desolaten Lebensbedingungen vieler
Roma-Familien vorherrschenden Krankheitsbilder sind Lungenleiden, Herz-,
Kreislaufstörungen Rheuma und Hautkrankheiten.
Zur sozialhilferechtlichen Situation von Roma-Flüchtlingen
In der Regel beziehen die Familien im Falle einer Alimentierung eingeschränkte
Hilfen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, das in erster Linie eine
Unterstützung von in Deutschland geborenen Kindern sowie eine notdürftige
Versorgung mit Wohnraum vorsieht. Die Sozialämter nutzen den Entzug von Hilfen,
um staatenlose Roma aufzufordern, ihre Wiedereinbürgerung in den Herkunftsstaat
zu betreiben und somit die Voraussetzung für die Ausweisung zu schaffen. Diese
Aufforderung wird mit der unverbindlichen Erklärung versehen, dass bei einer
erneuten Beantragung der früheren Staatsbürgerschaft wieder Leistungen seitens
des Sozialamtes erbracht würden.
Entscheidet das Sozialamtes negativ, wird die Ablehnungen entweder mit der
Unterstellung von Vermögenswerten, der unterlassenen Mitwirkungspflicht -
ungeachtet dessen, ob die Amtssprache verstanden wird - oder der Annahme, dass
das Bundesgebiet lediglich und ausschließlich betreten wurde, um Sozialhilfe
oder Hilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erhalten, begründet.
Der miserable soziale Status zwingt die Familien über den Weg der Bettelei oder
durch halblegale Geschäfte für die eigene Existenz zu sorgen. So wird die
aufenthaltsrechtliche Entwicklung in die „Illegalität“ durch die
sozioökonomische Marginalisierung begleitet. Besonders gravierend macht sich
dieser Armutszustand bei Säuglingen, Kleinkindern und kranken Menschen
bemerkbar.
Zur aufenthaltsrechtlichen Lage von Roma-Flüchtlingen
Die Roma-Familien aus Rumänien kamen zu einem großen Teil vor etwa 10-12 Jahren
nach Deutschland. Die damals gestellten Asylanträge wurden regelhaft mit der
Begründung abgelehnt, daß es keine nachweisbare Gruppenverfolgung aufgrund der
ethnischen Herkunft
als Roma in Osteuropa gäbe. Trotz gegenteiliger Berichte seitens namhafter
Menschenrechtsorganisationen, dem UNHCR und verschiedener
Roma-Selbsthilfe-Verbände blieb das Auswärtige Amt und das Innenministerium bis
heute bei der ablehnenden Haltung. Die einzige Möglichkeit zum weiteren Verbleib
im Bundesgebiet war über die Ausbürgerung aus der Staatsbürgerschaft des
Herkunftslandes. Im Fall Rumänien wurde diese Ausbürgerung in der Botschaft
beantragt und gegen Zahlung von Geldern bestätigt. Die Familien bekamen danach
einen Fremdenpass mit Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis und dem
Status
„staatenlos“ oder „ungeklärt“.
Die 1992 seitens der Bundesregierung mit verschiedenen osteuropäischen
Anrainerstaaten abgeschlossenen Rückübernahmeverträge hatten u. a. die Folge,
dass die Ausbürgerungsbestätigungen überprüft und in 80 % der Fälle, so die
Information der Frankfurter Ausländerbehörde, als gefälscht betrachtet werden.
Das aktuelle Ergebnis dieser Vorgehensweise ist, dass die Mehrzahl der
Fremdenpässe eingezogen wurden und statt dessen Duldungen (Aussetzung der
Abschiebung) als Passersatz mit einer Laufzeit von maximal einem Jahr oder
Grenzübertrittsbescheinigungen, mit der Aufforderung innerhalb von sechs Wochen
das Bundesgebiet zu verlassen, erteilt werden.
Vor dem Hintergrund ist die Erlangung einer Arbeitserlaubnis oder eines
Gewerbescheins zur selbständigen Arbeitsaufnahme unmöglich. Kindergeld wird
wegen des Aufenthaltsstatus nicht an die Familien gezahlt. Eine gesicherte
Schul- und Ausbildungsperspektive erscheint unerreichbar.
Gegenwärtig sind achtzig Prozent der vom Förderverein Roma betreuten
Roma-Familien aus Rumänien von Ausweisung bedroht. Allein seit Ende 2002 wurden
über 50 Kinder und Jugendliche der Kindertagesstätte Schaworalle und des
EU-Beschäftigungsprojekts abgeschoben oder verließen die Einrichtung aufgrund
der Ausweisung eines Familienteils.
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